Produktmanager und Product Owner – zwei Titel, die auf den ersten Blick darauf schließen lassen könnten, dass es hier um denselben Job geht. Und das ist auch der Grund, warum in so manchem Unternehmen oder Produkt-Team Verwirrung darüber herrscht, wie sich diese Rollen denn abgrenzen lassen, wenn beide vorhanden sind.
Warum gibt es sowohl Product Owner und Produktmanager?
Eine berechtigte Frage mit einer Antwort, die ein bisschen in die Historie dieser beiden Titel einsteigen muss. Der Job des Produktmanagers und die Rolle des Product Owners im Scrum Prozess sind unabhängig voneinander und aus anderen Kontexten entstanden, auch wenn es Überschneidungen gibt. Produktmanager gibt es mindestens seit den 90ern und ist die Weiterentwicklung von „Brand Managern“ (im FCMG-Segment) und „Program Managern“ (im Software-Bereich). Als essentieller Teil des Marketing-Mix sollte eine Person das Produkt, seine Promotion und Distribution und den Produkterfolg verantworten. Diese Person wurde Produktmanager genannt. Die Rolle des Product Owners entstand als Teil von Scrum (eine Methode der agilen Produktentwicklung). Der Product Owner soll als interne Rolle des Scrum-Teams die Bedürfnisse der Anwender sowie des Marktes sowie Wettbewerb und zukünftige Trends repräsentieren. Damit stellt sie idealerweise sicher, dass ein Produkt entwickelt wird, das Anwender gerne nutzen und das sich für das Unternehmen nachhaltig im Wettbewerbsumfeld behaupten kann.
Wie sollten Product Owner und Produktmanager voneinander abgegrenzt werden?
Vorweg gesagt: es gibt hierbei nicht die eine Wahrheit und Definition, die bei jeder Organisation angewandt werden kann. Genau wie die Titel Produktmanager und Product Owner ihre eigene Entstehungsgeschichte haben, so haben auch Unternehmen eine eigene Historie, wie sie Produktmanager und Product Owner für sich definiert haben.
Das Thema wird dennoch insbesondere in Europa und im deutschsprachigen Raum immer wieder intensiv diskutiert. Vielleicht liegt es daran, dass deutsche Unternehmen gerne „Regeln und Klarheit“ haben und sich gerne klar definierten Normen anschließen. Vielleicht aber auch, weil Produktmanagement in Europa im Vergleich zu den USA eine jüngere Disziplin ist und sich daher parallel unterschiedliche Sichtweisen bildeten (die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen mögen außerdem ihren Teil dazu beigetragen haben…).
Es ist daher wichtig, sich eine eigene Meinung zu beiden Rollen zu bilden und Klarheit in der eigenen Organisation zu schaffen. Der bekannte Product Coach und Autor Marty Cagan hat dazu wie gewohnt eine ziemlich eindeutige Meinung: “The Product Owner is just 10% of the Product Management job. Product Owner is a role. Product Management is a job.” Das ist natürlich sehr überspitzt formuliert. Dennoch stimme ich der Grundaussage zu. Die Unterscheidung zwischen “Job” und “Rolle” ist hier sehr nützliches Gedankenkonstrukt. Typischerweise vereinen Produktmanager mehrere Rollen in ihrem Job. Sie sind Innovationstreiber, Chancenmaximierer, Intrapreneure, Dolmetscher und Kommunikatoren, Champion des Kundenproblems oder auch Verbesserer und Optimierer. Das macht ihren Job so herausfordernd, aber gleichzeitig auch so spannend.
Mit 20 Jahren Erfahrung in Produktmanagement-Positionen bin ich natürlich voreingenommen. Dennoch habe ich in Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern, sowie im Rahmen meiner Weiterbildung zum Certified Scrum Master und Agile Coach viele Einblicke in die Definition und Ausgestaltung dieser Rolle in der Praxis gewonnen. Eine der Hauptursachen für die Verwirrung um diese Begriffe ist, dass viele Organisationen diese Titel austauschbar verwenden, ohne die Ursprünge der Product Owner-Rolle zu kennen, die größtenteils durch Scrum geprägt wurde. Führungskräfte glauben oft fälschlicherweise, dass ein Product Owner einfach eine „moderne und agilere“ Beschreibung eines Produktmanager ist. Die Praxis zeigt jedoch, dass es viele Ausprägungen beider Rollen gibt, insbesondere wenn nur eine davon in einer Organisation existiert.
Die Vogelperspektive: das Warum, das Was und das Wie der Produktentwicklung
Ein guter Startpunkt ist das Framework von Paul Inness, das auf der Grundannahme basiert, dass für die erfolgreiche Produktentwicklung drei W-Fragen beantwortet werden müssen.
- Warum entwickeln wir das Produkt (welche Kunden- und Anwenderbedürfnisse werden erfüllt, was bringt es uns als Anbieter)?
- Was wird entwickelt? (welche Anforderungen und Jobs muss das Produkt erfüllen, welche Funktionen soll es beinhalten, was wäre ein MVP?)
- Wie erreichen wir das? (Welche technologischen Voraussetzungen brauchen wir dafür, wie gelingt die Umsetzung der Entwicklung?)
Die Verantwortung zur Beantwortung dieser Fragen liegt im Zusammenspiel von Produktmanager, Product Owner und Entwicklungsabteilung (natürlich mit Unterstützung weiterer Rollen wie z.B. Produktdesign, User Experience oder Interaktionsdesignern)
In der Praxis entstehen aus dem speziellen Unternehmenskontext heraus verschiedene mögliche Modelle beim Einsatz der Rollen Produktmanager und Product Owner:
- Es gibt nur Produktmanager und die Product Owner-Rolle kommt nicht zum Einsatz (z.B. weil nicht nach Scrum-Methoden gearbeitet wird)
- Es gibt Produktmanager, die gleichzeitig die Scrum Product Owner-Rolle übernehmen
- Es gibt sowohl Produktmanager als auch Product Owner, die in gemeinsamer Abstimmung den Produkterfolg vorantreiben
- Es gibt Product Owner, die auch Produktmanagement-Verantwortlichkeiten übernehmen
- Es gibt nur Scrum-Product Owner und Produktmanagement-Verantwortlichkeiten werden in anderen Abteilungen übernommen oder finden nicht statt.
Hier einmal schematisch dargestellt:
Die Realität – unterschiedliche Konstellationen in Tech-Unternehmen
Wie sieht es aber in der Praxis aus? Welche Konstellationen existieren in Unternehmen mit Produktmanagement-Organisationen?
Produktmanagementor führt jedes Jahr eine Marktstudie zur Praxis im Produktmanagement und Produktmarketing durch. In der Studie von 2023 mit 947 Teilnehmenden aus 50 Ländern wurde erneut die Frage gestellt, welche Produktmanagement- Rollen in ihrem Unternehmen existieren.
Das folgende Bild ergibt sich dabei für 2023:
Produktmanager und Product Owner Aufgaben – wer macht was?
Existiert nur eine der beiden Rollen, findet man in aller Regel eher die Rolle des Produktmanagers (Modell 1 – 21%) bzw. den Produktmanager dessen Rolle die Aufgaben des Product Owners im Scrum-Kontext beinhaltet (Modell 2 – 31%).
Existieren beide Rollen nebeneinander (Modell 3 – 32%) , fokussiert der Produktmanager sich typischerweise stärker auf das “Warum” des Produkts (welche Probleme lösen wir, welche Kundenbedürfnisse adressieren wir). Der Product Owner konzentriert sich eher das “was” (was ist das passende Produkt) und das “wie” (wie setzen wir das um). Letzteres sollte dabei vor allem in der Zusammenarbeit mit der Entwicklung gemeinsam erarbeitet werden. Der Product Owner ist für das Product Backlog verantwortlich und stellt sicher, dass das Team die richtigen Dinge entwickelt und auf die Bedürfnisse der Kunden und des Unternehmens ausgerichtet ist. Er arbeitet eng mit dem Team zusammen und stellt sicher, dass die priorisierten Anforderungen im Product Backlog verstanden und richtig umgesetzt werden. Product Vision und Roadmap können hier als Artefakte dienen, die von beiden Rollen gemeinsam gestaltet werden.
Das Aufgabenfeld des Produktmanagers ist bei Ko-Existenz beider Rollen typischerweise breiter angelegt als die eine Product Owners:
- Ein Produktmanager ist häufiger im Kundenkontakt (über die Produktentwicklung hinaus)
- Ein Produktmanager agiert unternehmerischer und ist daher stärker in den betriebswirtschaftlichen Themen involviert, wie Geschäftskennzahlen, Business Pläne, Preisgestaltung, Finanzplanung, KPIs, Prognosen und Planung
- Ein Produktmanager hat mehr mit marktnahen Funktionen wie Marketing, Vertrieb und Support zu tun
- Ein Produktmanager interagiert häufiger mit nicht-produktbezogenen internen Stakeholdern wie Finanzen, Recht und Management
- Ein Produktmanager hat typischerweise eine höhere Verantwortung in Bezug auf P&L (Gewinn und Verlust).
- Ein Produktmanager sollte eher ein Generalist als ein Spezialist sein.
Fazit
Beide Rollen können allein existieren und unterschiedlich ausgestaltet werden. Haben Organisationen sowohl Produktmanager als auch Product Owner, sollten sie sich komplementär ergänzen. Die übergeordneten Ziele sind es gemeinsam sicherzustellen, dass die richtigen Produkte entwickeln werden, die den wichtigsten Bedürfnissen der Kunden aber auch des Unternehmens entsprechen, um so langfristigen Erfolg zu erzielen.
Wie auch immer Dein Unternehmen aussieht, das Fundament für wirksame Product Owners und Produktmanagers ist eine klare Rollendefinition. Stelle also sicher, dass Deine gesamte Organisation ein gemeinsames Verständnis von den wichtigsten Aufgaben und Verantwortungen hat.