Als Produktmanager werden wir ständig mit neuen Ideen konfrontiert, die aus verschiedenen Abteilungen oder von Kunden an uns herangetragen werden. Die Priorisierung und Validierung dieser Ideen ist jedoch häufig eine große Herausforderung und findet im Zweifel gar nicht oder erst sehr spät statt.

Der klassische Ansatz

Startpunkt ist eine neue Idee. Diese wird zunächst genauer evaluiert, aufbereitet und dann in vielen Meetings mit unterschiedlichsten Stakeholdern diskutiert. Entscheidungsprozesse müssen durchlaufen werden, vor allem wenn es um größere Investitionsvorhaben geht. Das kann Durchhaltevermögen und einen langen Atem erforderlich machen. Startet die Produktentwicklung dann irgendwann, gibt es in dem ein oder anderen Unternehmen dann schon mal ein kleines schwarzes Loch. Es vergehen Wochen oder Monate in denen du als Ideengeber gar nicht weißt, wie die Entwicklung deine Ideen wirklich umsetzen wird. Irgendwann gibt es dann ein erstes Konzept, vielleicht auch ein erster Prototyp. Die Zeit geht weiter ins Land. Das Produkt nimmt immer konkretere Formen an. Nach vielen Monaten ist der ersehnte Zeitpunkt da. Das neue Produkt wird in den Markt gebracht! Erst dann zeigt sich endlich ob, diese neue Idee, aus der jetzt ein Produkt geworden ist, tatsächlich auch von den Kunden als so grandios betrachtet und das Produkt erfolgreich wird.

Probleme des klassischen Ansatzes

Auch ich habe diesen Zyklus in meiner beruflichen Laufbahn vielfach durchlaufen. Eines der Formate waren 3-4 mehrtägige Meetings pro Jahr mit 30-40 Teilnehmern, hunderten von Folien und leider viel zu wenig Interaktion und klaren Entscheidungen. Rückblickend war niemand meiner Kollegen richtig glücklich mit dem Prozess. Das Ganze war geprägt von langwierigen Abstimmungsprozessen und viel Überzeugungsarbeit während, aber auch zwischen diesen Meetings. Es haben dabei nicht immer die besten Ideen gewonnen. Häufig ist viel Zeit vergangen bis aus Ideen tatsächlich erste Konzepte wurden. Dieser Prozess hat sich teilweise über Monate hingezogen, manchmal auch über mehr als ein Jahr.

Auch nach Start der Produktentwicklung blieb das Risiko lange hoch. Echtes Kundenfeedback auf Basis von ersten Sales Präsentationen oder ersten Prototypen gab es wirklich erst, wenn die Produktentwicklung schon relativ weit fortgeschritten war. Gleichzeitig stiegen die Kosten zu Lernen deutlich an, je weiter die Entwicklung fortgeschritten war, insbesondere, wenn es um Hardwareprodukte ging, bei denen Werkzeuge für die Produktion oder Board Designs fixiert werden mussten. Feedback, das wir uns anhand erster Prototypen und Muster abholen konnten, diente nicht mehr dazu das Produktkonzept nochmal zu verbessern, sondern nur noch dazu die Verkaufsprognosen, zu validieren und unsere Geschäftsplanung entsprechend anzupassen.

Design Sprints: Direkt von der Idee zur Validierung

Hier können Design Sprints Abhilfe schaffen, indem sie den Weg von der Idee zum Kundenfeedback abkürzen. Sie helfen so, die wichtigsten Risiken mit Blick auf Mehrwert für den Kunden aber auch die technische Machbarkeit bereits im Vorfeld einer Produktentwicklung mit echtem Nutzerfeedback qualitativ zu validieren. Auf diese Weise erhöhen sie die Geschwindigkeit der Ideenvalidierung, vermeiden Fehlinvestitionen und minimieren die Risiken von neuen Produktentwicklungen. Sie bedienen sich dabei an Methoden aus dem Design Thinking, der Lean Startup Philosophie in Kombination mit weiteren agilen Methoden, wie beispielsweise Customer Journeys beziehungsweise Story Maps.

Wann sind Design Sprints sinnvoll?

Auch Design Sprints erfordern Investitionen. Zum einen in Form von Zeit, die Teilnehmer des Design Sprints aufbringen müssen. In der Regel sprechen wir von 3 bis 5 Tagen, zuzüglich Vorbereitung und Abstimmung im Vorfeld. Holt man sich zudem Unterstützung von außen, was auf jeden Fall empfehlenswert ist, beispielsweise durch einen externen Moderator oder einer Agentur, die sich auf das Thema spezialisiert hat, muss man zusätzlich noch mit einem niedrigen bis mittleren fünfstelligen Betrag rechnen.

Sie sind also kein Allheilmittel, das man überall einsetzen sollte. Wichtigstes Entscheidungskriterium sind die Opportunitätskosten im Vergleich zur klassischen, deutlich langwierigeren Vorgehensweise, sowie die Kosten teurer Fehlentwicklungen. Sie sind daher vor allem dann gut geeignet, wenn es um hohe Investitionen geht, um Lösungen, die viel Geld und oder Zeit erfordern. Aufgrund ihrer Intensität sind sie auch sehr gut geeignet, wenn es nur eine sehr kurze Umsetzungsfrist gibt und eine schnelle Lösung erforderlich ist. Das dritte Szenario sind festgefahrene Situationen. Es mangelt an neuen Ideen und es werden neue Impulse für bestehende Herausforderungen oder bereits existierende Produkte benötigt. Design Sprints sind daher nicht nur für neue Produktentwicklungen geeignet, sondern auch für die Verbesserung bestehender Produkte oder Produktportfolios.

Ablauf eines Design Sprints

Ein Design Sprint ist ein strukturierter Prozess, der Teams dabei unterstützt, in kurzer Zeit innovative Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln. Der Prozess wurde von Google Ventures entwickelt und 2016 durch das Buch Sprint, von Jake Knapp weltweit populär.

Ein Design Sprint dauert in der Regel fünf Tage und besteht aus fünf Phasen: Verstehen, Skizzieren, Entscheiden, Prototypen und Testen.

In der Verstehen-Phase wird das Problem definiert und das Ziel des Design Sprints festgelegt. Das Team setzt sich mit den Bedürfnissen der Nutzer und den Herausforderungen auseinander, die es zu lösen gilt.

In der Skizzieren-Phase wird kreativ gearbeitet und Ideen werden generiert. Das Team erstellt Skizzen, Brainstorming-Listen und Storyboards, um Lösungen zu entwickeln.

In der Entscheiden-Phase werden die Ideen auf ihre Umsetzbarkeit und Effektivität hin überprüft und bewertet. Das Team entscheidet sich für die vielversprechendsten Ansätze.

In der Prototypen-Phase wird ein schneller, aber realistischer Prototyp erstellt, der die ausgewählte Idee verkörpert. Hierbei kann es sich um ein physisches Produkt, eine App oder eine Website handeln.

In der Testen-Phase wird der Prototyp von echten Nutzern getestet. Feedback wird gesammelt und genutzt, um den Prototypen zu verbessern und die Lösung zu optimieren.

Im Anschluss entscheidet das Team gemeinsam, ob das Produkt in die Umsetzung gehen soll oder das Ergebnis verworfen wird, um sich eine teure Fehlentwicklung zu ersparen. Die dritte Möglichkeit ist, dass man aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen einen weiteren Sprint ansetzt.

Weiterentwicklung des Prozesses

In den letzten Jahren wurden diverse Abwandlungen des ursprünglichen Ablaufs entwickelt. Ziel war es meistens den Prozess weiter zu verkürzen. Der Design Sprint 2.0 von AJ&Smart verkürzt die ersten drei Tage auf zwei. Nur an diesen beiden Tagen ist das gesamte Team involviert. Der Prototyp wird dann von einem reduzierten Team entwickelt getestet. Erst danach wird wieder in der großen Runde gemeinsam entschieden, ob und wie man weitermacht.

In der Variante der Design Sprint Academy wird zudem ein noch stärkerer Fokus auf die Problemdefinition im Vorfeld gesetzt. Man investiert zusätzlich Zeit, um die Herausforderung, den Kunden sowie den Kontext möglichst gut zu verstehen, um dann eine möglichst präzise Problemstellung und Zielsetzungen zu definieren. Auch am ersten Tag gibt es dann nochmal einige vom Originalprozess abweichende Optimierungen.

Double Diamond Modell

Grundlegend und orientiert sich der Design Sprint am sogenannten Double Diamond Modell, das von der britischen Design Council Organisation entwickelt und erstmals 2004 veröffentlicht wurde. Das Double Diamond-Modell ist ein Rahmenwerk für den Designprozess, der sich auf die Erkundung und Lösung von Problemen konzentriert. Es besteht aus zwei Phasen mit je zwei Schritten, die eine Abfolge von vier Schritten bilden, die als Diamantenform dargestellt werden.

Der erste Diamant stellt dabei den Problemraum dar. Man beschäftigt sich zuerst mit dem Kunden und dessen Herausforderungen. Dabei verfolgt man zunächst eine „divergente Strategie“, um möglichst offen an die Problemstellung heranzugehen und lernen. Erst im zweiten Schritt versucht man, die Problemstellung weiter einzugrenzen, um sie am Ende möglichst präzise zu definieren. Man spricht hier auch von „konvergenter“ Vorgehensweise.

Im zweiten Diamanten, dem Lösungsraum, werden dann zunächst in der ersten Stufe kreative Ideen und Ansätze entwickelt, um das Problem zu lösen. Erst in der zweiten Stufe werden die besten Ideen dann in Prototypen und Modelle umgesetzt.

Die grundlegenden Mechanismen

Einer der großen Vorteile des Design Spints ist, dass der Prozess das Team dazu zwingt sich von Anfang auf die wirklich wichtigsten Fragen zu konzentrieren. Wie gerade gesehen, bewegt das Team sich dabei vom Problemraum in den Lösungsraum. Wiralle sind kulturell und gesellschaftlich meist geprägt, möglichst schnell in Lösungen zu denken. Dabei geht jedoch häufig der Kundenfokus verloren.

Daher kommen vor allem in den divergenten Phasen immer wieder Kreativtechniken wie skizzieren oder spezielle Fragetechniken zum Einsatz, die sich seit vielfach bewährt haben.

Im Laufe des Design Sprints finden keine großen Diskussionen statt. Das führt dazu, dass die Entscheidungsfindung partizipativerabläuft, als es in der Regel der Fall ist. So hat jeder, insbesondere die introvertierteren Kollegen, die Möglichkeit, sich voll einzubringen.

Es gewinnt nicht derjenige, der am besten präsentiert, am lautesten ist oder am höchsten in der Hierarchie steht. Ziel ist es die Schwarmintelligenz des multifunktionalen Expertenteams optimal zu nutzen.

Der Prozess und zeitliche Rahmen zwingt das Team, in sehr kurzer Zeit mit Hilfe eines einfachen Prototyps wirklich relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Die Zeit für die Entwicklung eines Prototyps ist daher bewusst sehr begrenzt.

Wer sollte teilnehmen?

Die Teamgröße sollte maximal 7 bis 8 Personen betragen, um das Ganze wirklich effizient durchzuführen.

Zusätzliche Experten können phasenweise eingebunden werden, beispielsweise am ersten Tag, häufig auch bereits im Vorfeld.

Wichtig ist, dass es ein funktionsübergreifendes Team ist, das den Prozess durchläuft. Es sollten also nicht nur die Entwickler oder Designer, sondern auch Experten, die nah am Kunden und am Markt sind teilnehmen, wie beispielsweise Marketing und Vertrieb. Denkbar sind je nach Herausforderung auch andere Funktionen im Unternehmen, wie die Geschäftsführung oder der Kundensupport.

Wichtigstes Auswahlkriterium ist, dass die Teilnehmer relevantes Fachwissen haben, das sie einbringen können, entweder mit Blick auf den Problembereich, den Kunden oder dessen Herausforderungen oder mit Blick auf potenzielle Lösungen.

Trotz des partizipativen Charakters braucht es in jedem Fall einen Entscheider, der das letzte Wort hat. Speziell wenn es darum geht die Zielsetzung zu definieren oder den finalen Lösungsansatz auszuwählen, der realisiert werden soll. Dabei kann er oder sie sich der Wahl des Teams anschließen aber auch eine ganz andere Lösung wählen.

Bedenken sollte man zuletzt noch, ob es vielleicht noch weitere Leute gibt, die eingebunden werden sollten. Beispielsweise Stakeholder, die wenn es an die Realisierung geht, querschlagen könnten oder auch im Hintergrund Entscheidungen beeinflussen können. Es können auch Leute mit ins Team genommen werden, die häufig kontroverse Standpunkte haben. Mehr Diversität und kontroverse Standpunkte wirken sich durchaus positiv aus. Der Prozess stellt dabei sicher, dass der Fortschritt auch durch Bedenkenträgern nicht torpediert werden kann. Positiver Nebeneffekt, vermeintliche Problemverursacher werden von Anfang an mit eingebunden.

Was sind die Vorteile?

Design Sprints sind ein sehr gut reproduzierbarer Prozess, um neue Ideen zu generieren. Das Team lernt dabei Methoden, die auch in anderem Kontext anwendbar sind. Er stärkt definitiv den Kundenfokus, da man gezwungen wird sich eingangs wirklich mit dem Kunden und seinen Problemstellungen auseinanderzusetzen. Die gemeinsame Arbeit im funktionsübergreifenden Team hilft darüber hinaus die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg er zu verbessern. Selbst im Fall von negativem Kundenfeedback ist ein Design Sprint ein kein Fehlschlag, da man sich so zumindest eine teure Fehlentwicklung erspart hat. Die Einbindung des Entscheiders sorgt für Klarheit in Bezug auf die Unternehmensanforderung und bringt diese auch in Verbindung mit den Kundenproblemen. Sie hat zudem den großen Vorteil, dass man sich zusätzliche Überzeugungsarbeit und extra Schleifen spart. Verbindliche Entscheidungen können direkt im Sprint getroffen werden.

Design Sprints und Produktentwicklung

Ist das Kundenfeedback am Ende eines Design Spints positiv kann es direkt in die Produktentwicklung gehen. Auf Basis der Ideen und einer validierten Lösung, die man im Sprint erarbeitet hat, kann im Anschluss sehr einfach eine Produkt Roadmap skizziert werden. Aus der im Sprint skizzierten Storymap kann ein erstes Backlog von Anforderungen entwickelt werden, mit dem es dann in die tatsächliche Umsetzung geht, unabhängig davon, ob es im Anschluss agil, klassisch nach Wasserfall oder hybrid weitergeht.

Fazit

Design Sprints können Unternehmen dabei unterstützen, schneller und effektiver innovative Lösungen zu entwickeln und dabei die Bedürfnisse ihrer Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie stärken die Zusammenarbeit und beschleunigen Entscheidungsprozesse. Design Spins beinhalten keine neuen Methoden, sondern sind ein Prozess, der bewährte Methoden sinnvoll kombiniert und einen festen Zeitrahmen vorgibt. Ziel ist es vor allem Risiken mit Blick auf den Mehrwert für den Kunden sowie die technische Machbarkeit frühzeitig zu identifizieren und passende Lösungsideen zu validieren.