Du hast Dich auf eine Stelle als Produktmanager beworben oder trägst Dich mit dem Gedanken Produktmanager zu werden? Gratulation! Du stehst am Anfang einer spannenden Reise! Wie vor jeder Reise gibt es aber durchaus Momente, in denen auch der Zweifel kommt. Ist das das Richtige für mich? Bin ich dafür geeignet? Werde ich glücklich mit diesem Job?

Ikegai

Die japanische Kultur hat für die oft langwierige und gründliche Suche nach der eigenen Bestimmung einen eigenen Begriff: Ikigai. Frei übersetzt heißt es: „das, wofür es sich zu leben lohnt“, „die Freude und das Lebensziel“ oder einfach ausgedrückt „das Gefühl, etwas zu haben, für das es sich lohnt, morgens aufzustehen“. Findet oder hat ein Mensch sein Ikigai, bewirkt es für ihn ein Gefühl der Lebensfreude und damit innere Zufriedenheit.

Der Idealzustand lässt sich als Schnittmenge der folgenden Aspekte beschreiben:

  • Dinge in denen Du gut bist
  • Dinge die Du liebst
  • Dinge mit denen Du Geld verdienst
  • Dinge die die Welt braucht

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Dinge in denen Du gut bist und die Du liebst

Neugier und Fachwissen

Meine persönliche Produktmanagement Reise begann 2002 mit Röhrenfernsehern und Digitalkameras. Im Anschluss ging es in die Halbleiterbranche, von dort dann auf einen kurzen Abstecher zu professionellen Metallbearbeitungswerkzeugen (Bohren, Fräsen, Schleifen, Sägen). Schließlich bin ich wieder in der IT-Branche gelandet und war verantwortlich für Projektoren, Software und am Ende integrierte Computing Lösungen wie dem Raspberry Pi. Augenscheinlich hatten diese Produkte wenig gemeinsam. Dennoch war es mir möglich, mich in kurzer Zeit in die jeweilige Materie einzuarbeiten. Mit Neugier, etwas technischem Grundwissen und der Bereitschaft zu Lernen ist man häufig schnell in der Lage, sich auch mit technischen Experten auf Augenhöhe zu unterhalten.

Reflektionsfähigkeit und Lernbereitschaft

Offenheit und Neugier sind Grundvoraussetzungen zum Lernen. Dazu gehört auch die Fähigkeit der Selbstreflektion und das Bestreben, sich ständig zu verbessern. Ich selbst habe die Tendenz, Dinge häufig in Frage zu stellen. In der Zusammenarbeit mit anderen macht man sich dadurch nicht immer Freunde. Mit der Zeit eignet man sich jedoch das richtige Gefühl für Timing und Kontext an. Die zunehmende Verbreitung von strukturierten Ansätzen wie agile Frameworks und eine sich verändernde Fehlerkultur machen es unerfahrenen Produktmanagern inzwischen deutlich leichter.

Führungskompetenz und unternehmerisches Denken

Der vor 20 Jahren von Ben Horowitz geprägte Begriff des CEO of the product geistert immer noch durch Social Media und weckt insbesondere bei unerfahrenen Produktmanagern falsche Erwartungen. Tatsächlich haben Produktmanager selten eine disziplinarische Führungsposition. Dennoch ist es wichtig, dass Produktmanager vorangehen und Verantwortung übernehmen. Im Idealfall agieren sie wie ein Unternehmer im Unternehmen. Sie sind es, die die verschiedensten Interessengruppen hinter einem übergeordneten Produktziel versammeln und gemeinsam zum Erfolg führen. In der Fachliteratur spricht man von lateraler Führung, die sich im Falle des Produktmanagers vor allem dadurch auszeichnet, dass er über positive Beziehungen, fachliche Expertise und kontinuierliche Überzeugungsarbeit als Führungskraft rund um alle Produktthemen wahrgenommen wird.

Freude am Gestalten

Unternehmertum bedeutet auch zu gestalten. Natürlich gibt es auch im Produktmanagement eine Fülle an bewährten Methoden, Prozessen und Rahmenwerken. Dennoch ist die Ausgestaltung der Rolle sehr individuell und abhängig von vielen Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Art der Produkte, dem Unternehmen, der Industrie usw. Es bleibt also nicht aus, dass Du immer wieder neue Wege gehen musst, um die richtige Lösung zur richtigen Zeit im richtigen Kontext zu finden. Gerade dieser Gestaltungsfreiraum macht für mich den besonderen Reiz des Produktmanagements aus.

Hartnäckigkeit und Frustrationstoleranz

Die Aufgabe des Produktmanagers ist es, mittel- und langfristig zu denken. Dies in der Hektik des Tagesgeschäftes nicht aus den Augen zu verlieren, ist eine der größten Herausforderungen. Es gilt, die eigenen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Das erfordert eine gewisse Hartnäckigkeit, aber auch ein dickes Fell und hohe Frustrationstoleranz. Auch die in der jüngeren Vergangenheit gerne zitierte Resilienz ist ein wichtiges Charaktermerkmal, damit Du als Produktmanager erfolgreich bist.

Kommunikation und Empathie

Produktmanager sind der Dreh- und Angelpunkt in allen Belangen rund um das Produkt. Kommunikation gehört daher zu den Grundkompetenzen. Gemeint ist damit auch die Fähigkeit, die Sprache verschiedener Interessengruppen und Funktionen innerhalb eines Unternehmens zu sprechen. Das betrifft nicht nur technische Funktionen, wie Ingenieuren und Designern (was oft dazu verleitet selbst Expertenstatus anzustreben), sondern auch die Sprache von unternehmensinternen Funktionen wie Management, Kundenbetreuung, Beschaffungswesen, Marketing, Vertrieb und Finanzen. ALLE diese Funktionen sind im Unternehmen erforderlich, um erfolgreich zu sein. Darüber hinaus muss der Produktmanager in der Lage sein, mit den Kunden und Nutzern zu kommunizieren, oft gemeinsam mit dem Marketing, dem Vertrieb oder dem Kundensupport. Zur wirksamen Kommunikation gehört dabei nicht nur Sprache, sondern auch Empathie. Konkret bedeutet das die Fähigkeit zuzuhören, die richtigen Fragen zu stellen und sich in das Gegenüber, egal ob intern oder extern, hineinzuversetzen und die Welt aus seinen Augen zu sehen.

Dinge mit denen Du Geld verdienst

Produktmanagement ist in aller Regel ein gut bezahlter Job. Das Durchschnittsgehalt von PMs und Senior PMs in Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt laut der Branchenerhebung von Produktmanagementor aus dem Jahr 2023, in der ca. 1300 Teilnehmer befragt wurden, bei ca. 80.000 EUR Bruttojahresgehalt. Einstiegsgehälter liegen häufig über 50.000 EUR. Dazu kommen noch oft noch diverse Zusatzleistungen. Wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass Produktmanager sehr gute Karriereaussichten haben. Aufgrund ihres breiten Tätigkeitsfelds sind die häufig prädestiniert Führungsaufgaben zu übernehmen, so dass es nicht verwundert, dass so mancher CEO oder Geschäftsführer selbst einmal erste Erfahrungen im Produktmanagement gesammelt hat. Bekannteste Beispiele hierfür sind Sundar Pichai, CEO von Google, Satya Nadella, CEO von Microsoft oder Tim Cook, CEO von Apple.

Dinge die die Welt braucht

Innovation ist eine der wichtigsten Aufgaben von Produktmanagern. Du bist immer bestrebt, bessere Lösungen für existierende Probleme zu finden. Im Kleinen wie im Großen. Als Dreh- und Angelpunkt im Unternehmen hast Du die Möglichkeit, Kultur, Kommunikation und die Zusammenarbeit positiv zu beeinflussen. Die Interaktion mit vielen verschiedenen Kollegen im Unternehmen kann unheimlich bereichernd für Dich selbst, aber auch die anderen Beteiligten sein. Zudem bietet sich oft auch die Chance, zur Lösung von übergeordneten gesellschaftlichen Problemen zu beitragen. Beispiele hierfür sind die Entwicklung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, Lösungen für erneuerbare Energien, Mobilität oder auch die Entwicklung von Medikamenten oder medizinischen Geräten. Letzten Endes tragen Innovation und erfolgreiche Vermarktung auch zum Wachstum von Unternehmen und damit der Schaffung von Arbeitsplätzen bei.

Die Schattenseite

Produktmanagement ist meine Passion. Dennoch möchte ich auch die negativen Aspekte nicht aussparen. Mit der großen Verantwortung des Produktmanagers geht auch viel Stress einher. Es gilt, eine große Zahl von Interessen unter einen Hut zu bekommen.

Damit verbunden sind häufig auch Konflikte. Als Produktmanager heißt es hier einen kühlen Kopf zu bewahren und Konflikte wieder in konstruktive Bahnen zu lenken. Konflikte sind wichtig, um die besten Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Bleiben sie aus, sollten erst recht die Alarmglocken klingeln.

Neben Konflikten führen vielfältige Erwartungen häufig zu einem reaktiven Arbeitsmodus, der wiederum dazu beiträgt, dass Stress eher als negativ empfunden wird. Zeitdruck verstärkt diesen Effekt oft zusätzlich.

Die laterale Führungsrolle kann anstrengend sein. Überzeugungsarbeit ist oft langwierig und kostet Kraft. Es ist kein einfacher Weg, sich durch konsequente Priorisierung und Fokus Freiraum für genügend Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen.

Selten können Produktmanager völlig autonom agieren. Entscheidungen fallen nicht immer so aus, wie man sie sich wünscht, auch wenn man von der eigenen Idee stark überzeugt ist.

Fazit

Habe ich noch etwas vergessen? Ach ja, natürlich gibt es noch einen Haufen Fachwissen und Methoden. Die meisten Einsteiger kommen jedoch aus sehr unterschiedlichen Disziplinen und bringen selten einen großen Fundus an Handwerkszeug mit. Produktmanagement lernt man am besten “on the job”. Eine wichtige Rolle spielen dabei Vorgesetzte, Kollegen und die Lernkultur im Unternehmen. Dedizierte Trainings und Coaching helfen zusätzlich, die Lernkurve noch steiler zu gestalten.

Trotz aller Schattenseiten empfinden viele Produktmanager ihren Job als sehr erfüllend. Dies belegt auch eine Umfrage von Product Lounge, in der die durchschnittliche Zufriedenheit der befragten Produktmanager mit 7,2 beziffert wurde (Skala von 1=völlig unzufrieden bis 10=vollkommen zufrieden). Solltest Du dem Lesen dieses Artikels also zu dem Schluss kommen, dass Produktmanagement Dein Ikegai sein könnte: willkommen an Bord!